Löhleins Tierleben

Schwarzspitzen- Riffhai
Carcharhinus melanopterus
   

 

Verbreitung:

Indopazifik bis Japan und Hawaii, Rotes Meer; über den Suezkanal in geringer Zahl auch ins südliche Mittelmeer eingewandert
 
Systematik: Knorpelfische, Haie  
Lebensraum: Flachwasserbereiche der verschiedenen Rifftypen  
Nahrung: Fische,Oktopusse, Kalmare,Fangschreckenkrebse, Krabben,gebietsweise Seeschlangen  
Besonderheiten: schwarze Spitzen an allen Flossen,standorttreu, lebendgebährend  
Geschlechtsreife: Weibchen ab einer Größe von 96 bis 112 cm,Männchen ab 91 bis 100 cm  
Trächtigkeitsdauer: ca. 160 Monate  
Jungtiere: 2 bis 5  
Körperlänge: meist unter 1,50 m, selten bis 1,80 m  
Lebensweise: nachtaktiver Jäger der Flachwasserzonen tropischer Gewässer, Einzelgänger oder in lockeren Kleingruppen  
Feinde: große Raubfische  
Gefährdung: Verschmutzung der Meere, Fischerei  
Bestand: noch gesichert  

Das Hellabrunner Aquarium wurde bereits 1937 eröffnet und zählte bereits damals zu den modernsten seiner Zeit.Viele Fortschritte hat die Aquaristik und die Fischhaltung in Hellabrunn seither gemacht.Während es damals schon eine Rarität war,Meerwasserfische zu halten,werden heute zahlreiche empfindliche Aquarienbewohner des Hellabrunner Aquarienschwerpunkts „Mikrokosmos unter Wasser “bereits nachgezüchtet.Und wenngleich Hellabrunn nicht über ein neu erbautes Großaquarium wie einige direkt am Meer gelegene Zoos verfügt,so sind die Haltungs-und Zuchter- folge doch beachtlich.Gerade in den letzten Jahren wurden mit großem fianziellen Aufwand und Enthusiasmus Aquarien geschaffen,die zwar in einem alten Gebäude stecken,Vergleiche mit modernen Neubauten aber nicht zu scheuen brauchen.So dürfte z.B.die neu geschaffene Quallen-Zuchtanlage hinter den Kulissen des Aquariums in Europa beispiellos sein.
 



Im Rahmen der Renovierung wurde auch das große Meerwasserbecken auf der rechten Gebäudeseite neu gestaltet. Nach einer Umbauphase von einem halben Jahr entstand ein
35 000 l Wasser fassendes Becken mit einer 1,2 Tonnen schweren Glasscheibe, die bis zum Boden reicht. Fünf Pumpen fördern
200 000 l Wasser pro Stunde. Spezielles Meersalz, Aquaflotoren, Kalkreaktoren, UV-Lampen und ein präzises Heizsystem sorgen für glasklares Meerwasser bester Qualität,in dem sogar empfindliche Korallen bestens gedeihen. Und auch die erstmals in Hellabrunn gezeigten Schwarzspitzen-Riffhaie haben hier ein neues Zuhause gefunden.

Die beiden Hellabrunner Schwarzspitzen-Riffhaie haben großes Glück gehabt, denn eigentlich hätten sie zu Fischmehl verarbeitet werden sollen. Denn Schwarzspitzen-Riffhaie landen in der Region der indopazifischen Riffe nicht selten als sogenannter Beifang in den Netzen der Fischer. Da ihr wirtschaftlicher Wert gering ist, werden sie nicht als Frischfisch weiterverkauft, sondern von der Fischverarbeitenden Industrie zu Tierfutter verarbeitet. Häufig werden die im Fischernetz verendeten Haie auch einfach wieder über Bord geworfen.

Wenn nun ein trächtiger Schwarzspitzen-Riffhai im Netz ist, kann man die Jungtiere durch Aufschneiden der Bauchhöhle noch retten, auch wenn die Mutter bereits tot ist. Frank Müller, der Leiter des Hellabrunner Aquariums, hat sich mit eigenen Augen von der Durchführbarkeit dieser Methode überzeugt. Und so wurden die Hellabrunner Riffhaie nicht zu Fischmehl verarbeitet, sondern kamen nach aufwendigem und perfekt durchorganisiertem Transport von den Malediven nach Hellabrunn.
 


Inzwischen hat der größere der beiden Haie ein Alter von etwa drei Jahren erreicht, der Kleinere ist ein bis zwei Jahre alt. Frank Müller und sein Team kümmern sich um beide Haie. Neben Gesundheitskontrollen stehen tägliche Überprüfungen der computergesteuerten Aquarientechnik und regelmäßige Wasserwechsel auf dem Programm. Jeden Mittwoch und jeden Sonntag werden die Haie um 15 Uhr gefüttert. Mit Hilfe eines Greifstabes werden jedem Hai Makrelen und Kalamare angeboten. Die individuelle Fütterung stellt sicher, dass kein Aquarienbewohner leer ausgeht, denn auch Zackenbarsch und Grüne Muräne sind gefräßig und teilen nicht freiwillig mit den Haien. Anfangs musste der ältere Hai erst mit Geduld an seine neue, nicht lebende Nahrung gewöhnt werden. Dazu wurden Kalamare oder andere Futterstücke an einer Schnur ruckartig durch das Wasser gezogen, um die Bewegung eines kranken oder verletzen Beutetieres zu simulieren. Das ist aber jetzt nicht mehr nötig, denn inzwischen stürzen sich beide Haie begeistert auf tote Futtertiere.

Die anderen Bewohner des Beckens (siehe Kasten Seite 16) haben von den Haien übrigens nichts zu befürchten. Erst bei extremem Hunger oder wenn sich ein Beutetier unnatürlich bewegt, erwacht der Jagdtrieb der Haie. Denn auch die Haie bevorzugen leicht zu erbeutendes Futter. Und besonders hungrig sind die Hellabrunner Haie nicht, denn pro Woche erhält jeder von ihnen fünf bis sechs Futterfische und zwei bis drei Kalamare. Auch in der Natur macht ein Hai keineswegs täglich Beute. So hat jeder zweite bis dritte gefangene Hai einen leeren Magen. Wie in Hellabrunn schön zu beobachten ist, verbreitet ein in normalem Tempo schwimmender Hai auch keineswegs Angst und Schrecken bei den Kleinfischen, die sich ihrer Schnelligkeit und Versteckmöglichkeiten in der Riffwand bewusst zu sein scheinen.

Auch für den Menschen stellt der Schwarzspitzen-Riffhai unter normalen Umständen keine Gefahr dar. Es wurde jedoch wiederholt berichtet, daß Schwarzspitzen-Riffhaie versuchen, im Flachwasser mit Harpune jagenden Menschen die Beute streitig zu machen. In derartigen Situationen kam es schon vermehrt zu Bissverletzungen. Für Taucher oder Schwimmer besteht hingegen so gut wie keine Gefahr.

Im Gegensatz zu den jungen Katzenhaien, die Sie im Becken an der Stirnseite des Hellabrunner Aquariums finden, sieht man die Schwarzspitzen-Riffhaie nie am Boden liegen. Sie sind ständig in Bewegung. Dies erklärt sich durch die unterschiedliche Atmung: Grundhaie sind in der Lage durch Öffnen und Schließen der Kiemenklappen Wasser aktiv an den als Atmungsorganen dienenden Kiemen vorbeizuführen. Haie des offenen Wassers können das nur teilweise oder gar nicht. Sie müssen in Bewegung bleiben, damit genügend sauerstoffreiches Wasser an ihren Kiemen entlang strömt. Selbst während des Schlafens schwimmen sie. Zu diesen Haiarten gehört auch der in Hellabrunn gezeigte Schwarzspitzen Riffhai, sicher eine der elegantesten Haiarten.

Zoologisches:
Schwarzspitzen-Riffhaie gehören zur Familie der Menschenhaie. Sie sind Bewohner der Flachwasserbereiche tropischer Korallenriffe in Rotem Meer und Indopazifik. Vereinzelt sind Schwarzspitzen-Riffhaie auch schon über den Suez-Kanal ins Mittelmeer eingewandert. Es ist eine eher kleine Haiart mit einer Maximallänge von etwa 1,60 m.

Um ein chemisches Gleichgewicht zwischen Meerwasser und Körperflüssigkeit herzustellen, speichern Haie größere Mengen Harnstoff im Körper, als andere Tiere das können. Ihnen fehlt die den Knochen Fischen typische Schwimmblase, die den Auftrieb reguliert. Dennoch können sich Haie leichter im Wasser auf und ab bewegen als Knochenfische. Denn durch ihre ölhaltige Leber sind sie nahezu gewichtsneutral austariert
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Erstaunlich für eine Tiergruppe, die sich über 300 Millionen Jahre in ihrer Gestalt kaum verändert hat, sind auch die Sinnesleistungen der Haie: Die Augen sind gut entwickelt und verfügen über ein "Tapetum lucidum ",eine reflektierende Schicht hinter der Netzhaut, die als Restlichtverstärker wirkt. Tastsinn und Gehör werden vor allem durch das Seitenlinienorgan dargestellt, das Druckunterschiede in einem gelgefüllten Seitenlinienkanal feststellen kann. Es ist das zentrale Sinnessystem der Haie und erlaubt Orientierung auch in völliger Dunkelheit. Bekannt ist der ausgezeichnete Geruchssinn der Haie. Blutbestandteile können noch in einer minimalen Konzentration von 1 :1 000000 Wassermolekülen festgestellt werden. Zudem können durch Sinneszellen im Kopfbereich (Lorenzinische Ampullen)auch noch elektrische Felder wahrgenommen werden. Bei Haien wurde die höchste bekannte Empfindsamkeit für bioelektrische Felder gemessen. Haie können Spannungsunterschiede von nur 0,005 µV wahrnehmen. Diese Fähigkeit wird sowohl zur Orientierung als auch zur Nahrungssuche eingesetzt. Das Zusammenwirken der extrem leistungsfähigen Sinnesorgane dürfte einer der Hauptgründe für den Erfolg der Haie in der Evolution sein
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Schwarzspitzen-Riffhaie paaren sich in Bauch-zu-Bauch-Lage im Seichtwasser. Die Eier werden innerlich befruchtet und entwickeln sich über rund 16 Monate im Mutterleib. Sie sind von einer Eihaut umgeben und in separaten Kammern der Gebärmutter untergebracht. Anschließend werden 2 bis 5 voll entwickelte Jungtiere geboren, die von der Mutter nicht weiter betreut werden.

Dr.Wolfgang Löhlein